Interview mit Christiane Hölz – Geschäftsführerin der DSW, Aufsichtsrätin und Mitglied der Arbeitsgruppe der EFRAG im Interview mit MetriBo

Über Christiane Hölz

Christiane Hölz zählt zu den wichtigsten Persönlichkeiten im Bereich des Schutzes privater Anleger in Deutschland. Als Geschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) vertritt sie die Interessen von Anlegern auf nationaler wie internationaler Ebene. Darüber hinaus ist sie mehrfaches Aufsichtsratsmitglied und engagierte sich als Mitglied der Arbeitsgruppe der EFRAG aktiv in der Entwicklung der ESG-Standards. Zudem ist Frau Hölz Mitglied in der Stakeholdergruppe der European Securities and Markets Authority (ESMA).

MetriBo: Wie bewerten Sie die aktuelle politische Lage in Deutschland und der EU im Hinblick auf CSRD und Omnibus?

Christiane Hölz: Dazu habe ich zwei Perspektiven: Als DSW-Geschäftsführerin vertrete ich Privatanleger, als Aufsichtsrätin sehe ich die Unternehmensseite. In Deutschland interessieren sich weder Anleger noch Unternehmen aktuell stark für klimabezogene Themen. Auf Hauptversammlungen wird das kaum diskutiert. Emittenten sind von Bürokratie und Regulierung einfach überfordert. Ich bin allerdings auch viel in Brüssel unterwegs und da ist das zumindest auf NGO-Ebene völlig anders. Der Omnibus-Entwurf setzt auf Vereinfachung, was politisch getrieben ist. Ich halte das für den falschen Weg, glaube aber, dass Europa zu schnell zu viel wollte. Die Unternehmen beschäftigen sich in einem viel zu hohen Ausmaß mit Reporting, das geht auf Kosten der Wertschöpfung und ist nicht zielführend. Der ISSB-Ansatz erschien mir pragmatischer. Ich glaube, das Ziel ist richtig, aber es ist ein bisschen zu schnell und zu viel gewollt, was zu einer Abwehrhaltung in Deutschland geführt hat und das ist in anderen Mitgliedstaaten glaube ich ähnlich.

“Die Entwürfe sehen eine Anpassung der Schwellenwerte und des Scopes vor. Das bedeutet, dass es sehr wahrscheinlich deutliche Erleichterungen für KMUs geben wird.”

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Wie sehen Sie die aktuellen Omnibus-Entwürfe?

Christiane Hölz: Die Entwürfe sehen eine Anpassung der Schwellenwerte und des Scopes vor. Das bedeutet, dass es sehr wahrscheinlich deutliche Erleichterungen für KMUs geben wird. Das beginnt mit der zeitlichen Verschiebung der CSRD und wird auch für den Umfang des Reportings zu inhaltlichen Erleichterungen führen, sofern das EU-Parlament hier nicht noch eingreift.

“Grundsätzlich ist das für mich gar keine Frage. Unternehmen müssen sich mit der ESG-Thematik über kurz oder lang beschäftigen und Nachhaltigkeit in ihre Strategie integrieren.”

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Viele Unternehmen zögern mit der Vorbereitung, weil die Gesetzeslage noch nicht final ist. Welche Vorteile sehen Sie, wenn Unternehmen sich jetzt schon vorbereiten?

Christiane Hölz: Grundsätzlich ist das für mich gar keine Frage. Unternehmen müssen sich mit der ESG-Thematik über kurz oder lang beschäftigen und Nachhaltigkeit in ihre Strategie integrieren. Die Erhebung von Datenpunkten ist sinnvoll, wenn sie zur Strategie passen und genutzt werden. Nur so kann das Unternehmen langfristig erfolgreich sein. Wer jetzt schon beginnt, ist besser vorbereitet, wenn die Anforderungen kommen. Investoren achten bereits darauf, auch bei kleineren Unternehmen. Die ESRS-Standards sind da, und Unternehmen sollten wissen, woher sie die nötigen Daten bekommen. Gute Vorbereitung und Struktur sind entscheidend, das geht nicht in wenigen Monaten. Früher anfangen ist sinnvoll.

“Ich halte eine echte Stakeholder-Befragung für wichtig. Das ist zwar aufwändig und führt zu unterschiedlichen Ansichten, ist aber aus Anlegersicht unverzichtbar. “

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Worauf sollten Unternehmen bei der Materialitätsanalyse besonders achten? Gibt es ESRS-Themen, die künftig wichtiger werden?

Christiane Hölz: Das ist sehr unternehmensspezifisch. Die Wesentlichkeitsanalyse sollte genutzt werden, um die Arbeit zu fokussieren und die Zahl der Datenpunkte zu begrenzen. Spezielle ESRS sehe ich aktuell nicht im Vordergrund. 

MetriBo: Wie stehen Sie zur echten Stakeholder-Befragung versus Proxy-Lösungen?

Christiane Hölz: Viele greifen auf alte Befragungen zurück. Aber ich halte eine echte Stakeholder-Befragung für wichtig. Das ist zwar aufwändig und führt zu unterschiedlichen Ansichten, ist aber aus Anlegersicht unverzichtbar. Eine breite Befragung ist sinnvoll, auch wenn sie nicht sofort erfolgen muss.

“Ich würde bevorzugen, intern Know-how aufzubauen, aber das ist unternehmensabhängig. Externe Beratung oder Software kann punktuell helfen, solange die Qualität der Berater sichergestellt ist.”

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Wie bewerten Sie den Beratungs- und Softwaremarkt für Nachhaltigkeitsreporting? Sollten Unternehmen intern Strukturen aufbauen oder externe Unterstützung nutzen?

Christiane Hölz: Die CSRD/VSME sind ein großes Geschäft für Berater. Eine halbe Stelle im Unternehmen reicht nicht aus. Ich würde bevorzugen, intern Know-how aufzubauen, aber das ist unternehmensabhängig. Externe Beratung oder Software kann punktuell helfen, solange die Qualität der Berater sichergestellt ist.

“Für größere Unternehmen und Konzerne kann eine zentrale Lösung sinnvoll sein. Für beide Lösungen gilt: die Datenhoheit sollte immer beim Unternehmen liegen, ob unterstützt durch Software oder in der eigenen Excel.”

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Reichen Excel und Word für das Reporting aus, oder lohnt sich eine Softwarelösung?

Christiane Hölz: Ein Umstieg auf eine Softwarelösung kann sich lohnen, ist aber meistens mit einem größeren Investment verbunden. Für kleine Unternehmen, also etwa einen 20-Mann-Betrieb, reicht Excel. Bei großen Unternehmen und Konzerne kann eine zentrale Lösung sinnvoll sein. Für beide Lösungen gilt: die Datenhoheit sollte immer beim Unternehmen liegen, ob unterstützt durch Software oder in der eigenen Excel.

“Da stellt man sich schnell die Frage – wo fange ich eigentlich an? Die Antwort: Schritt für Schritt! Fangt mit den Themen an, die für euch erstmal die wichtigsten sind und startet damit. Irgendwann ergibt sich dann das Komplettbild. “

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Wenn Sie sich jetzt vorstellen, Sie sind in einem Unternehmen und es steht die Umsetzung der ESRS an, egal ob nun VSME oder CSRD – wie würden Sie das Team motivieren? Was würden Sie Ihren Kollegen und Kolleginnen mitgeben?

Christiane Hölz: Da fällt mir das Kinderbuch “Momo” ein, von Michael Ende. Da gibt es den Beppo-Straßenkehrer, der immer die ganze, ganz, ganz lange Straße kehren muss und der dann gefragt wird, wie er das eigentlich schafft, diese elend lange Straße zu kehren. Seine Antwort: “Schritt für Schritt, ich gucke immer nur auf die nächste Fliese, ich gucke immer nur auf die nächste Kachel.” Ich glaube, das ist sehr richtig und wichtig. Die ESRS sind umfangreich, die Themen divers und das Team, das sich damit beschäftigen muss, steht vor einer schwierigen Aufgabe, weil sie wissen, ich muss mir unseren ganzen Umweltbereich angucken, die ganzen Mitarbeiter, den Sozialbereich, da muss ich auch noch in die Lieferketten gucken, und dann Governance – wobei das die meisten noch hinbekommen.
Da stellt man sich schnell die Frage – wo fange ich eigentlich an? Die Antwort: Schritt für Schritt! Fangt mit den Themen an, die für euch erstmal die wichtigsten sind und startet damit. Irgendwann ergibt sich dann das Komplettbild. Das kommt, aber ja, es ist halt ein weiter Weg.

“Aber wenn ich davon überzeugt bin, dass nachhaltiges Wirtschaften wichtig ist, dann sollte ich jetzt auch versuchen, Haltung zu zeigen und auf diesem Weg weiterzugehen, auch wenn der politische Wind sich vielleicht ein bisschen gedreht hat.”

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

MetriBo: Das ist ein schönes Bild. Haben Sie da noch irgendwas, was Sie zum ganzen Thema ESG vor allem im Hinblick auf KMUs bewegt? 

Christiane Hölz: Ja, dass Unternehmen, vor allem KMUs, keine Angst vor ESG-Themen haben sollten. Und Sie sollten das Ganze als Chance nutzen und nicht als reine regulatorische Hürde oder Bürde sehen, sondern wirklich analysieren: was kann ich mit den gesammelten Informationen anfangen, was sagt mir das eigentlich über mein Unternehmen? Ich finde es ganz interessant zu sehen, wie sich aus den Datenpunkten plötzlich Ergebnisse zeigen, die überhaupt nicht mit dem übereinstimmen, was bisher so angenommen und kommuniziert wurde. Und dass man sich dessen bewusst wird, und sich daraus neue Chancen entwickeln.

Wir bekommen im Moment aus Amerika einen unheimlichen Gegenwind in der ganzen Nachhaltigkeitsbewegung, auch innerhalb Europas. Aber wenn ich davon überzeugt bin, dass nachhaltiges Wirtschaften wichtig ist, dann sollte ich jetzt auch versuchen, Haltung zu zeigen und auf diesem Weg weiterzugehen, auch wenn der politische Wind sich vielleicht ein bisschen gedreht hat. Denn ich glaube, langfristig wird es nicht anders funktionieren.

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