Interview mit Herrn Lanfermann - Der Präsident des DRSC & Vize Präsident der EFRAG im Gespräch mit MetriBo
Sep 14, 2024
Georg Lanfermann ist eine der zentralen Persönlichkeiten im Bereich Rechnungslegung und Unternehmensberichterstattung in Deutschland. Seit März 2021 ist er Präsident des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) e.V. und engagiert sich insbesondere für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Darüber hinaus ist er seit 2022 Vizepräsident des EFRAG Administrative Boards, wo er die europäische Unternehmensberichterstattung maßgeblich mitgestaltet
Georg Lanfermann: Bis November gingen wir davon aus, dass die CSRD-Umsetzung erfolgt. Der Zeitplan war eng, die letzte Bundesratssitzung vor Weihnachten das Ziel. Das war ein Best-Case-Szenario im Sinne von, alle sind willig und machen mit und auch die vorherigen Querelen, die es also auch in der Ampelkoalition gab, das war auch zwischen den Ministerien deutlich spürbar. Spätestens mit dem Bruch der Ampelkoalition wurde es doch eindeutig, dass es sehr, sehr schwierig werden würde, das noch zu verabschieden. Projekte sind komplex und nicht kurzfristig zu ändern, das haben wir in der ersten Welle gespürt. Das waren und sind Großprojekte, die man nicht kurzfristig radikal umsteuern kann, sondern nur noch leicht justieren. Hier ist klar, dass diese Unternehmen dann rein praktisch bereits die CSRD umsetzen werden. Die europäischen Richtlinien bleiben verbindlich, auch ohne direkte Vorgaben für Unternehmen. Manche berichten nach ESRS, andere wählen andere, für sich besser passende Ansätze. Die Komplexität bleibt hoch, auch wenn zukünftig dann Klarheit hinsichtlich der Anforderungen besteht. Aktuell sicherlich kein angenehmes Szenario, wenn man in der Praxis in den Projekten steckt.
"Auf nationaler Ebene müsste ein neues Umsetzungsgesetz von Grund auf erarbeitet werden, da das alte wegen der Wahl einer neuen Bundesregierung faktisch “stirbt”."
Georg Lanfermann: Es ist umstritten und wurde zum Wahlkampfthema. Bürokratieentlastung und Wettbewerbsfähigkeit sind prominente Punkte in Parteiprogrammen und das Thema CSRD-Umsetzung ist zentral aufgegriffen worden. Grundsätzlich gilt trotz der aktuellen Debatte: Das CSRD-Umsetzungsgesetz ist auf EU-Ebene verabschiedet und somit auch für Deutschland verpflichtend. Verzögerungen könnten Strafzahlungen nach sich ziehen. Frau von der Leyen kündigte im November einen Omnibus an, der Ende Februar in der EU-Kommission bereits verabschiedet werden soll. Input der Mitgliedstaaten fließt ein, moderiert durch die polnische Ratspräsidentschaft. Schwellenwerte und technische Details sind dabei kritisch. Auf nationaler Ebene müsste ein neues Umsetzungsgesetz von Grund auf erarbeitet werden, da das alte wegen der Wahl einer neuen Bundesregierung faktisch “stirbt”. Eine vollständige Umsetzung wird sich bis Sommer oder Herbst 2025 hinziehen, natürlich abhängig davon, wie pragmatisch eine neue Bundesregierung an die Sache rangeht.
"Unternehmen sollten Erfahrungen sammeln und Grundlagen schaffen, etwa mit Wesentlichkeitsanalysen."
Georg Lanfermann: Die erste Welle der Umsetzung zeigte, dass die Anforderungen komplex sind und Vorbereitungen Zeit brauchen. Solange kein ganz dünnes Brett zu bohren ist, bedarf es natürlich einer gewissen Vorbereitungszeit - und bei den großen Unternehmen haben wir Projektzeiträume von ein bis zwei Jahren gesehen. Klare Vorgaben sind essenziell, vor allem weil die zweite Welle nun ja auch KMUs betrifft. Und da erhoffen wir uns Ende Februar mehr Klarheit, sodass aktuell ins Stocken geratene Projekte die Klarheit erhalten, um weiter in die Umsetzung gehen zu können. Unternehmen sollten Erfahrungen sammeln und Grundlagen schaffen, etwa mit Wesentlichkeitsanalysen. Ohne Vorbereitung steigt das Risiko, Anforderungen nicht rechtzeitig und mit ausreichender Qualität zu erfüllen.
Georg Lanfermann: E1 (Klima), S1 (Belegschaft) und G1 (Governance) stehen meist im Vordergrund, das zeigen auch Umfragen wie beispielsweise mit DAX 40 Unternehmen. Andere Themen variieren je nach Geschäftsmodell. Unternehmen müssen individuelle Besonderheiten berücksichtigen. Hierbei ist natürlich auch der globale Auftritt des Unternehmens entscheidend, in welchen Ländern Produktionen und Standorte angesiedelt sind und ob man in der Lieferkette beispielsweise Auswirkungen auf indigene Bevölkerungsgruppen hat. Hier zählt wirklich die Wesentlichkeitsanalyse, um solche Feinheiten herauszuarbeiten.
Georg Lanfermann: Arbeitnehmerbelange und Klimaberichterstattung sind zentrale Themen; Übergangspläne-Pläne zeigen Fortschritte in Nachhaltigkeit. Ich bin von Hause aus Wirtschaftsprüfer und deshalb ist es für mich wichtig, dass Berichterstattung zu messbaren Ergebnissen führt und strategischen Mehrwert bietet. Also nicht nur darum, die Berichtspflicht zu erfüllen, sondern auch den langfristigen wirtschaftlichen Vorteil im Blick zu haben. Aber einen persönlichen Lieblingsstandard habe ich nicht.
"Vor allem in der zentralen Datenerfassung und Protokolle der Datenflüsse können Vorteile solcher Tools sein. Berater bleiben unverzichtbar, solange die Komplexität hoch ist."
Georg Lanfermann: Der Markt wächst, von einfachen Tools bis zu komplexen Beratungslösungen. Es gibt staatliche Initiativen wie den European Single Access Point. Wichtig ist Pragmatismus: Lösungen sollten einfach und praxisnah sein. Unternehmen starten oft mit Excel und erweitern später ihre Tools. Vor allem in der zentralen Datenerfassung und Protokolle der Datenflüsse können Vorteile solcher Tools sein. Berater bleiben unverzichtbar, solange die Komplexität hoch ist.
"Ich würde hier auch sagen, dass es nicht ein Tool geben muss, was alles erledigt, sondern dass man erörtern sollte, an welcher Stelle ein Tool Sinn und an welcher nicht. Ein modulares System ist hier klar von Vorteil."
Georg Lanfermann: Aktuell ist es wirklich etwas wilder Westen. Unternehmen sollten sich hier nicht blenden lassen und immer individuell bewerten, welchen Mehrwert ihnen ein solches Tool bietet und wie die Kosten in aktuelle Budget-Planungen passen. Auch kostenfreie Angebote sollte man nicht aus den Augen verlieren. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Tools vor allem dann Sinn machen, wenn Sie einen holistischen Ansatz bieten und das Unternehmen niedrigschwellig befähigen, nicht nur zu berichten, sondern mit den Daten dann auch wirklich Mehrwert zu schaffen. Ich würde hier auch sagen, dass es nicht ein Tool geben muss, was alles erledigt, sondern dass man erörtern sollte, an welcher Stelle ein Tool Sinn und an welcher nicht. Ein modulares System ist hier klar von Vorteil.
"Frühzeitige Vorbereitung spart langfristig Aufwand und Kosten. Zudem kann man sagen, dass, solange die Komplexität nicht komplett verschwindet, Unternehmen auch weiterhin die Unterstützung von Beratern in Anspruch nehmen können."
Georg Lanfermann: Klare Zielsetzung und Verbindung mit der Unternehmensstrategie sind entscheidend. Compliance und strategischer Mehrwert sollten gleichermaßen betont werden. Eine solide Datengrundlage ist wichtig, besonders in der Lieferkette. Große Handelspartner stellen immer höhere Anforderungen an ESG-Daten und Unternehmen können sich als klarer bevorzugter Handelspartner etablieren, wenn sie diese Anforderungen erfüllen. Frühzeitige Vorbereitung spart langfristig Aufwand und Kosten. Zudem kann man sagen, dass, solange die Komplexität nicht komplett verschwindet, Unternehmen auch weiterhin die Unterstützung von Beratern in Anspruch nehmen können. Experten können zügig Licht ins Dunkle bringen und Unternehmen schnell und effizient ans Ziel bringen. In welchem Umfang man diese einsetzt, ist dann wiederum unternehmerisches Kalkül.
Georg Lanfermann: Ich danke Ihnen ebenfalls!
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